Den großen Bären bezwungen!
Ich hab den großen Bären bezwungen! Falls Sie mich dazu beglückwünschen, wär ich glatt geneigt mit einem „Waidmannsdank“ zu antworten. Aber ich will mir ja nicht die Gegnerschaft von 4 Pfoten, WWF und so zuziehen – also muss die Wahrheit gleich heraus. Der „große Bär“ (oder „Großbär“) ist ein imposanter Berg im Hüttschlager Hubalmtal – 2406 m hoch. Anscheinend kommen da keine „10 Leute im Jahr“ hinauf – ein Anreiz!
Gestartet wird in der Vorderkaseralm, es geht aber auch über die Hubalm gleich gut. Romantische Steige führen über die „Hinterkaseralm“ ins „Pitzach“. Die Verbindung zwischen beiden ist ein traumhafter Hirtersteig. Der Weg ist schmal und teilweise am Abgrund, daher meine Frage ob es hier auch Schlangen gibt. Sind ja niedliche nützliche Tiere, die ich aber trotzdem bevorzugt über das Fernsehen konsumiere. Die eindeutig verneinende Antwort ist schon beruhigend, zumal der Hirtersteig Schreckreflexe nicht richtig erlaubt. Die Antwort war übrigens richtig, den ganzen Tag kein so niedliches Kriechtier gesehen. Die Durchwanderung des extrem urtümlichen Pitzachgebietes ist schon ein Erlebnis für sich. Die Kalbinnen (das sind die Teenager unter den Kühen) laufen uns in Scharen zu. Das ist übrigens eine ganz normale Situation in den Bergen, weil die Tiere Salz wollen und den Wanderer als Zuträger vermuten. Das Zulaufen der Tiere ist aber total ungefährlich, es wird rechtzeitig abgebremst, ausgewichen, abgestürzt (natürlich nicht). Etwas anders kann es sich unter Umständen nur dann verhalten, wenn Sie einen Hund mitführen. Da ist nicht restlos auszuschließen, dass es zu einer Abwehrreaktion seitens einzelner Rindviecher gegenüber dem Hund kommt. Deshalb das am sichersten wirkende Rezept: lassen Sie ihren liebsten Liebling einfach zuhause.
Nach der Durchquerung des Pitzach beginnt eine Steinwüste, nicht ohne die vor 30 Jahren vollkommen aus Stein errichtete Schutzhütte der Hirterbuben vorher noch zu bewundern. Hier haben die Hiatabuben die Sommertage verbracht und auf die Kühe aufgepasst. Urban, der heute mit ist, hat damals die Hütte eigenhändig aufgeschlichtet. Gerade noch rechtzeitig bevor ihn die Natur wild werden ließ erfuhr er die Rückführung in die Zivilisation mittels Verehelichung. Urbans „Gamsmuattahütte“ ist noch in gutem Zustand. Anschließend pirschen wir, neben Urban sind noch Hans und Gottfried mit, den großen Bären an. Das ist jetzt eine zeitlang eine Steinhüpferei, die Gegend beginnt hochalpin zu werden, bis wir die „Råffirinn“ erreicht haben. Einer der Beteiligten hat die Mundartbezeichung „Råffirinn“ für unsere deutschen Blogleser in „Schwiegermutterrinne“ übersetzt (wir legen aber Wert auf die Feststellung, dass das ausdrücklich nicht auf unsere Schwiegermütter zutrifft). Die „Råffirinn“ stürzt sich sicher 800 Höhenmeter ins Gasteiner Kötschachtal hinunter – ein etwas furchterregender Anblick, da möchte ich nicht runterkugeln. Für alle die mit dem Oauseachnschiach sein (Schwindelfreiheit) Probleme haben ist hier auch Endstation. Beim Aufstieg zum großen Bären muss man nämlich schwindelfrei und trittsicher sein und man kann hier nur bei Trockenheit rauf. Wir haben es bei günstigsten Bedingungen geschafft, sonst wär hier dieser Text auch eher als Nachruf gestaltet.
Gut, und der Rückweg über die verfallene, heimatgeschichtlich hochinteressante Pitzachhütte, die 1930 zum letzten Mal bewirtschaftet wurde, ist auch der Inbegriff an Ursprünglichkeit. Die gefährlichen Stellen hatten wir schon lange hinter uns, als uns Gottfried dann bis zu den Knien doch im Morast versunken ist. Aber Gottfried ist Prokurist der örtlichen Raiffeisenbank und hat zudem zuhause ein Schuhgeschäft – jede Sorge bezüglich Schadensbehebung damit völlig unbegründet. Ich konnte ihm in dieser mißlichen Situation auch nicht helfen, irgendwer muss ja schließlich fotografisch dokumentieren (sorry).
Zu guter Letzt hatten wir noch das Glück, einer still und heimlich weidenden Urochsenfamilie zu begegnen. Ich dachte immer die sind bei uns ausgestorben. Gott sei Dank sind mir ein paar Schnappschüsse gerade noch gelungen, ich will nicht dastehen wie der Reinhold Messner ohne seinen Yeti. Ja, so unberührt und wild ist unsere Gegend noch.
Jedenfalls ist die Bezwingung des großen Bären eine Wahnsinnssache. Es gilt aber auch: nicht ohne einheimischen Bergführer hingehen, nie! Und für Kinder ist das ganze kaum geeignet, hier fehlt die zum Steinehüpfen erforderliche Schrittlänge. Vielleicht sollte man auch nicht unerwähnt lassen, dass es sich hier um eine Ganztagestour handelt die entsprechende körperliche Kondition voraussetzt.
Wenn Sie das alles erfüllen, können Sie von einem unvergesslichen Erlebnis ausgehen. Und wer kann schon von sich behaupten einen großen Bären bezwungen zu haben. Waidmannsheil!