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Brief an meinen Freund Hermann

Lieber Hermann,

dass ich Dir heute einen Brief schreibe hat einen besonderen Anlass. Entschuldige bitte gleich vorweg wenn er nicht so gelingen sollte, mit zunehmender Beruhigung des Beziehungslebens komme ich immer seltener in Bedrängnis einen privaten Brief zu schreiben, das ist heute eine große Ausnahme und vielleicht erkennt man das. Geschäftsbriefe rinnen mir viel besser aus der Feder – das ist halt auch mein Beruf.

Hermann - als Schlepplifte noch aktuell waren

Weißt Du noch Mitte der 80er Jahre? Du, gemeinsam mit meinem Vater, vielbeschäftigter Liftler an der Talstation des Doppelsessellift Hochbrand. Am einzigen Zubringer ins Skigebiet, immer voll besetzt und  das ganze Umfeld stets an ihrem Limit, das Wort Gondelbahn konnten wir damals noch nicht einmal schreiben. Ich, noch gschamiges Bergbauernbuarl aus dem Eggriedl, gerade noch in der Schule und soeben frisch eingestiegen ins Geschäft, einen Stock über Deinem Arbeitsplatz im kargen Liftbüro. Du, annähernd 2 Jahrzehnte älter als ich, schon ein Felsen. Liftler in Fleisch und Blut, der schon zu einer Zeit dabei war, als man jeden Gast einzeln mit Handschlag begrüßen konnte und wo sich das tägliche Betriebsende nicht immer nur nach zeitlichen Vorgaben, sondern auch nach dem kollektiven Wunsch aller, nun die Skihütte dem Skibetrieb vorzuziehen, orientierte.

Was waren wir damals im Vergleich zu heute noch für eine arme Firma – mit den Umsätzen und den ganzen anderen Ressourcen.

Wir beide haben uns gleich gut verstanden. In meiner Mittagspause durfte ich Dir dann immer 1 Stunde an der Station helfen und unseren Gästen beim Einsteigen behilflich sein – heute nennt man das „von der Picke auf“.  Und wenn es schneite waren die Sesselsitze immer aufgeklappt damit unsere Kunden möglichst keinen nassen Hinterteil bekamen. Das Niederklappen haben wir dann ab und zu übersehen und den einen oder anderen Kunden dabei verkegelt – aber meist doch unabsichtlich. Der Schabernack saß uns etwas im Hinterkopf – bei diesen damaligen Liftpreisen konnten wir uns das auch noch leisten.

Alte Skipässe von der Skischaukel Großarltal-Dorfgastein

Der Kontakt mit den Gästen war immer besonders intensiv. Bis weit ober dem Roslehenstall sind sie angestanden und wenn sie’s dann bis zum Einstieg geschafft hatten, wurde sie mit ein paar freundlichen Worten von Dir wieder aufgemuntert. Ab und zu wurden wir auch von den Gästen gehaut, wenn man versucht hatte in die elendslange Warteschlange Ordnung und Gerechtigkeit zu bringen oder in einem schwachen Moment vielleicht einmal ein hübsches Mädchen vorgehen ließ oder wiederholt nach dem Skipass fragte um das (gefälschte) Ablaufdatum und das Foto zu kontrollieren. Wer kann sich schon tausende Gesichter merken?

Und wenn die treue Hochbrandbahn einmal doch ihren Dienst verweigerte, wurden wir ziemlich bestürmt und bedrängt – da galt nur mehr die Devise „rette sich wer kann“. So war sie, die gute alte Zeit.

Als bei mir dann im Laufe der Zeit auch das Interesse am Innenleben von Gastronomien und Nachtlokalen wuchs, durfte ich Dich oft begleiten und wurde in die diversen Geheimnisse eingeweiht. Am nächsten Morgen war ich oft furchtbar müde – jetzt im Nachhinein habe ich den Verdacht, dass sie uns in die konsumierten Getränke oft Alkohol hineingemischt haben müssen, so wie ich dann hergelegen bin. Wie’s mich dann doch in die Arbeit geschneit hat, hast Du an der Seilbahn schon wieder längst Deinen Mann gestellt, wie ein Fels in der Brandung und wie jeden Tag. Das Wort „freier Tag“ konnten wir damals nämlich auch noch nicht so richtig schreiben, genauso wenig wie Computer, Zutrittskontrollsystem und alles was uns sonst noch im Laufe der späteren Zeit das Leben so erleichtert hat.

Heuer im Spätwinter hab ich auch einmal die Krankheitskeule zu spüren bekommen. Ich hab dann oft an Dich gedacht. Nicht nur wegen des schönen Genesungsgrußes den Du mir ins Krankenhaus geschickt hast, danke. Sondern weil’s Dich eigentlich auch schon lange zwickt und das wenig Mut macht und man sich immer fragt für was das Ganze eigentlich gut sein soll. Aber Hermann, vielleicht wird’s schon irgendwo seinen Sinn haben auch wenn sich uns dieser jetzt noch nicht erschließt. Für Deine Enkel bleibt dadurch viel Zeit – muss ja auch was wundervolles sein.

Ja und genau heute bist Du 60. Du hast in der Entwicklung des Großarler Tourismus eine ganz wichtige Rolle eingenommen. Stellst Grundstücke für den Tourismus und unser Seilbahnunternehmen zur Verfügung, sicherst damit auch meinen Arbeitsplatz; warst lange in unserer Seilbahngesellschaft tätig und hattest intensiven Kontakt zu abertausenden unserer Gäste; warst immer selbst auch guter Gastgeber und Dein Sohn Hermann bastelt schon an einem besonders spannenden Hotelprojekt; und, und und. Jedenfalls ist so ein runder Geburtstag auch einmal ein würdiger Anlass, das alles öffentlich darzustellen. Hier schaut nämlich immer ein Haufen Leute herein.

Und für mich warst Du ein prägender Arbeitskollege und jetzt ein netter Freund und Nachbar. Alles Gute zu Deinem 60. Geburtstag, viel Gesundheit und alle Deine Wünsche sollen in Erfüllung gehen. Meine hoffentlich auch.

Liebe Grüße

Sepp

Hermann in der Paraderolle am Hochbrandlift

2 Antworten auf Brief an meinen Freund Hermann

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