Von Auerhahnen und Schnapsbären
Um 2.20 Uhr in der Früh aufstehen! Wenn Sie meinen, dass das zutiefst unmenschlich ist, wären wir mit dieser Ansicht schon zu zweit. Und wenn ich Ihnen jetzt noch erzähle, dass es draußen zudem voll geschüttet hat, ist das schon fast zu viel an Dramatik. Es war nämlich eh nicht so, die Wolken waren nach einem vorherigen kräftigen Regenguss dabei gerade aufzureißen.
Schuld an dem ganzen 2.20 Uhr Martyrium ist der große Hahn, der Auerhahn. Er ist sehr, sehr selten und wenn auch „nur“ ein Vogel die für mich absolut edelste heimische Wildtierart, die mit dem Hirschen diesbezüglich jedenfalls mithalten kann. Aber Geschmäcker sind verschieden, wie bei den Frauen auch. Das Auerwild hat jetzt seine Balzzeit – und dieses Schauspiel sollte einen halben Nachteinsatz wert sein, hoffe ich.
Jäger Hannes wartet schon auf mich, er ist das Aufbrechen in dieser Herrgottsfrüh mehr gewohnt. Er ist Berufsjäger und mindestens einen Monat schon ständig auf Birkhahn- und Auerhahnpfalz (so unser Ausdruck für die Balz). Und das Jägerlatein, das eine in Jägerkreisen häufig anzutreffende hübsch ausgeschmückte Interpretation von Wahrheit ist, ist dem Hannes immer noch fremd. Direkt unheimlich, aber sympathisch.
Aber hier geht’s jetzt nicht um Wahrheitsfindung sondern um den Auerhahn. Um 3.45 Uhr sind wir auf dem Balzplatz, noch mitten im finsteren Wald. Hier wird einmal konsequent verharrt, mucksmäuschenstill. Der Auerhahn ist das erste Vöglein das in der Früh zu singen anfängt, sagt Hannes. Wobei „Vöglein“ relativ ist, mit fast 5 Kilogramm Gewicht und einer Flügelspannweite von 1 Meter ist der Auerhahn ein richtiger Waschl her. Der Jäger hat Glück, der Hahn folgt seinen Prophezeiungen, um 4.15 Uhr eröffnet er als erster im Wald seinen Gesang. Jedes Gsetzl seines Balzgesanges, der im Vergleich zu jenem des um einiges kleineren Schildhahns (so heißt der Birkhahn auch noch) viel weniger weit zu hören ist, ist ziemlich konsequent in 4 Teile untergliedert. So ein Gsetzl (das Tonfile habe ich am Ende dieses Beitrags zum Nachhören eingefügt) dauert ungefähr eine halbe Minute lang und besteht aus „Glöckln“, „Trillern“, dem „Hauptschlag“ und dem „Schleifen“. Beim „Schleifen“ ist der Hahn wie weggetreten und in diesem Trancezustand kann man sich ihm mit ein paar Schritten nähern, ehe man wieder erstarrt. Das funktioniert einwandfrei. Man springt also in Etappen durch den Wald, für unbeteiligte Zuschauer wär dieses Schauspiel wahrscheinlich genauso interessant wie für uns die Lautäußerungen des Hahnes sind. Irgendwie erinnere ich mich auch, dass sich die Rothäute in den Wildwestfilmen ihrem Feind in ähnlicher Weise angenähert haben.
Aber Indianer hin oder her – wir haben es ganz in die Nähe jenes Baumes auf dem der majestätische Auerhahn seinen Balzgesang vollführt in die beste Blickposition geschafft. In den kurzen Gesangspausen genießt er die jungen Triebe der Fichte, wir einen Schluck des mitgebrachten Vogelbeer, der uns vor dem Erfrierungstod bewahren sollte. Auch wenn es eh nicht so kalt war, aber sicher ist sicher. Als die Sonne dann über die Berge kommt und die Kirchturmglocken 6i läuten ist der Hahn dann endgültig abgestrichen, also weggeflogen. Wir waren eh schon überwältigt vom einmaligen Erlebnis.
2010 ist das Jahr der Biodiversität. Biodiwas? Das Jahr der Artenvielfalt – vereinfacht gesagt. Beim Auerhahn geht die Balzzeit nun dem Ende zu, er ist in der Natur damit noch weniger zu vernehmen. Wer ihm begegnet kann sich glücklich schätzen. Dafür tritt eine andere Art aus unserer Artenvielfalt jetzt wieder mehr in Erscheinung. Die Rede ist vom Schnapsbären. Dieses Geschöpf, dessen Population wesentlich größer ist als jene des Auerwildes, ist jetzt vorwiegend auf den heimischen Almen anzutreffen. Wenn es uns auch gereizt hätte, wir hatten leider keine Zeit mehr einem Schnapsbären nachzujagen. Aber versuchen Sie vielleicht selbst. Und wenn wir spätehttps://www.grossarltal.info/pdf/bewirtschaftete%20Almen.pdfr noch einmal einem begegnen sollten, lesen Sie es natürlich hier als erster in diesem Blog.
Ein Dankeschön an die Gutsverwaltung Dr. Draxler, an Prof. Dr. Peter Draxler vom Hotel Großarlerhof sowie natürlich an den Jäger Hannes, die durch ihre Unterstützung das Entstehen dieses Postings ermöglicht haben!Balzgesang des Auerhahnes zum Nachhören: