Oauseachnschiach
„Oauseachnschiach“ – kaum zu schreiben und schwer auszusprechen – ist einer der genialsten Begriffe aus dem Sprachwortschatz unserer Großarler und Hüttschlager Mundart und bedeutet so viel wie „nicht schwindelfrei sein“ oder „Höhenangst haben“.
Frau Burgi Knapp, Seniorchefin des Hotel Alte Post in Großarl hat diesen und viele weitere wertvolle Mundartbegriffe sowie Geschichten über das Brauchtum zu Papier gebracht und in Buchform unter dem Titel „Mundart aus’n Großarltal, damit dass nit vagessn wiascht“ veröffentlicht. Prädikat: sehr lesenswert!
In diesem Blog-Beitrag spielt das „Oauseachnschiach“ sein eine wesentliche Rolle – es geht um’s Klettern in den heimatlichen Bergen. Der Klettersteig „Bella Cascinaia“ am Saukarkopf in Großarl fasziniert mich rein vom Hinschauen schon länger. Allerdings mit der Schwindelfreiheit ist es bei mir nicht weit her. Woher auch, wenn ich einen erheblichen Teil meiner Zeit im relativ sicheren Bürosessel verbringen darf. Und dann noch mein Leben einfach an ein Seil hängen? Nein, mit mir nicht!
Unser Herr Bürgermeister hat mir nun kürzlich erzählt, dass er den Klettersteig am Saukarkopf schon bezwungen hat. Und um die Leibesmitte des Herrn Bürgermeister kann man vielleicht noch einen Ring mehr zählen als um meine (Herr Bürgermeister, ich hoffe das war jetzt keine Indiskretion?). Irgendwie fordert das heraus und das Herbstwetter ist so schön.
Also – doch alle Ängste verdrängt, fachkundige Begleiter organisiert und schon geht es zu fünft Richtung Einstieg des „Bella Cascinaia“. Ich werde begleitet von meinen Zwillingshasen Alexandra und Christina, dann von Neffen Urban der schon einige Klettererfahrung hat und vom Hausherrn am Saukarkopf, Sepp Knapp. Durchaus ein schönes Privileg von ihm begleitet zu werden. Nach dazu hat er die schwere Aufgabe mich hinaufzubringen, während sich Urban um meine schon klettertrainierten Kinder kümmert.
Ein paar Minuten unterhalb des Einstiegs versperren uns Wegelagerer, es sind nur Murmeltiere, den Weg. Eine seltene Beobachtung, weil diese Tiere normalerweise sehr scheu sind.
Der Einstieg ist erreicht, Sicherheitsgeschirr angelegt, Helm aufgesetzt, Calimero ist fertig. Eine kurze Einweisung aufgrund der Premiere und los geht’s. Ich steige in der Obhut von Sepp als letzter. Die ersten Tritte sind leicht, eh nicht so schwer! Doch das hält nur kurz, bald geht’s kerzengerade bergauf und wo sind hier Tritte? Aha – hier ist Armkraft gefragt und immer wieder hängt man um, sichert sich neu und zieht sich hinauf. Noch nicht lange unterwegs und schon die Erkenntnis, dass ich mir das vielleicht doch zu leicht vorgestellt habe. In den Unterarmen bereits ein kräftiges Ziehen, ich merke es fehlt der „Faschtl“ (auch ein Mundartwort das so viel wie „gute intensive Erfahrung“ bedeutet). Also ich hätte da mehr Tritte hineingebohrt! Gut, verstehe, rollstuhlgerechte Klettersteige gibt es nicht.
Mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad geht es aufwärts und dann eine leicht überhängende Pfeilerkante zur Schlüsselstelle kurz vor dem Pfeilerkopf. Mir wird schlecht, das ist als blutiger Kletteranfänger kaum zu schaffen – wie hat der Herr Bürgermeister das nur gemacht? Aufhören, aufgeben? Was mache ich dann mitten in der Wand? Ich gebe niemals auf, nie! Sepp und Urban, beide fast wie Gämsen in der Wand unterwegs, helfen mir, die überhängende Stelle zu umgehen – das war knapp. Schweiß rinnt mir in Strömen über’s Gesicht. Angstschweiß höchstwahrscheinlich sogar. Hier, an der Zweiseilbrücke, ist aber auch eine Stelle wo man etwas Ausschnaufen kann. Einer der Bergfexe am Saukar hat sich laut Erzählung vom Sepp hier einmal eine Hängematte gespannt und in luftiger Höhe gerastet. Na serwas. Nun kann es wieder weiter gehen, die Wand wird auf diesem Teilstück etwas einfacher. Und ich habe nun auch begriffen, dass es weniger Armkraft kostet, wenn man sich beim Klettern schön zurücklehnt, sodass die Hände gestreckt sind und der Körper gewissermaßen ein Dreieck zur Wand bildet. Es zieht trotzdem ganz schön in den Armen und die Wasserleitung in meinem Helm ist auch noch nicht abgestellt. Den Blick nach unten meide ich konsequent – durch die große Gefahr dass so was zur gänzlichen Bewegungsunfähigkeit in der Wand ausarten könnte. Ein echter Kletterer kann das sicher nicht verstehen, also pssst.
Das etwas einfachere Flachstück hält leider nicht lange an, über die nächste Kante geht’s zu einem weiteren längeren schwierigen Teil des Klettersteiges. Schön, dass der Ausstieg naht – das hilft bei der Überwindung dieser Steilpassagen. Und dann ist es geschafft. Ein unheimlich schönes Erlebnis (das oben ankommen). Und der Lohn für die Mühen? Das großartige Panorama am Saukarkopf und das Erreichen eines Zieles. Spaziergang war das keiner.
Und: Respekt Herr Bürgermeister!
Link zu den Klettersteigen in Großarl und Hüttschlag (hier klicken)
Video von der Saukaralm
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