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Martinipercht die Zweite

Eigentlich halte ich mich in diesem Forum ungern zwei Mal beim gleichen Thema auf. Hirschbrunft, Hahnpfalz und eine Weihnachtsgeschichte vielleicht ausgenommen. Aber die Fülle an Material in Zusammenhang mit einem der schönsten Bräuche nichtreligiösen Ursprungs in unserem Tal treibt mich geradezu an die Tastatur meiner Dreschmaschine (so bezeichnet Nachbar Karl Schreibmaschine oder Computer). Aja, und sie sollten sich darauf einstellen, dass wir in nächster Zeit keinen Bedarf haben hier etwas zu veröffentlichen, weil diese Geschichte zum Lesen eh etwas länger dauert.

Zu Martini, 11. November, wurde traditionsgemäß ein paar Gansln der Garaus gemacht. Kollegin Barbara hat hier berichtet. In der Regel weniger blutig geht es in Hüttschlag zu – an diesem Tag gibt es einen einzigartigen Brauch – die Martinipercht, in der Ausdrucksweise unseres Tales „Moschtinipercht“ (das „e“ in Percht als reinrassiges „e“ und bitte nicht als „ea“ aussprechen). Hier wird der Almabschied nachgestellt. Wie, warum und wo habe ich voriges Jahr schon ausführlich berichtet (für diesen Beitrag bitte hier klicken) – da verschwenden wir jetzt einmal keine Zeit dafür.

Obwohl waschechter Großarler, war ich wieder eingeladen am Hüttschlager Martiniperchtgehen teilzunehmen. Nein ausländerfeindlich sind sie definitiv nicht die Hüttschlager. Während ich bisher als Großarler ein Alleinstellungsmerkmal dort genießen konnte, waren heuer auch der Franz (Mitterling – spielt aber zumindest bei den Hüttschlagern Fußball) und der Tauernhof Mark (Hotel Tauernhof – für seinen Lebenslauf hier klicken) dabei. Die körperliche Ausformung des Mark zwang die Hüttschlager geradezu ihn als Bauer einzusetzen. War nett von ihm trotz seines etwas angeschlagenen Gesundheitszustandes zu erscheinen, irgendwas das so ähnlich wie „Bauchspeckentzündung“ klang brummelte er. Jedenfalls war er als Bauer vorgesehen, was natürlich meinen Protest erzwingen musste, dass ein Quereinsteiger bereits in diese gehobene Rolle darf und ich noch immer in meiner Schweineverkleidung das Dasein fristen sollte. Wir konnten das dann dahingehend einvernehmlich und zu meiner uneingeschränkten Zufriedenheit entschärfen, dass der „Vorfåck“ – zu dem ich im Vorjahr als erster Teilnehmer überhaupt befördert wurde und als besondere Auszeichnung, fast vergleichbar mit der Ehre einer Hofratstitelsverleihung, empfand – in der Martiniperchthierarchie über dem Bauern steht. Also in der Reihenfolge von oben (wichtig) nach unten (entbehrlich): Vorfåck, Bauer, Sennerin, Hirter, normale Schweine.

Dann legten wir uns, nach einigen Stimmölungsübungen, einer kurzen Gesangsprobe und dem Überziehen unserer Dienstuniform (Erdäpfel-Jutesack) so richtig ins Zeug. Unterwegs waren wir im Ortskern von Hüttschlag. Die eine Gruppe in „Unterhüttschlag“ und wir in „Oberhüttschlag“. Wußte gar nicht, dass so was kleines auch noch teilbar ist (‘tschuldigung).

Bereits 3 Stunden nach dem Zusammenkommen hatten wir – ich muss einmal kurz nachrechnen – ja fast 2 Häuser schon geschafft. In jedem Haus gibt es neben der Aufführung von Sennerin, Bauer, Hirter und den Schweinen natürlich eine anschließende kurze Verschnauf- oder nach freiem Ermessen auch Trinkpause. Dies auch dazu, um Franz, dem Hirter, Zeit zu geben mit Nachdruck für die Großarler Bergbahnen – sorry – den sozialen Hilfsdienst Großarltal natürlich, zu sammeln. Die Hüttschlager waren übrigens wie immer sehr großzügig und machten über € 800,00 locker. Danke!

So ein Martinigehen braucht natürlich eine Sicherheitsunterweisung für die Schweine. Mit Scherben oder verstreuten Reisnägeln am Boden ist einmal zu rechnen. Nasenbeinbrüchen light auch. Eine neue bisher unbekannte Gefahr ist die Bedrohung mit einer Nadel. Das ist beim darauffolgenden Haushalt dann auch eingetreten – in Ninja-Kämpfer-Manier, Nadel(n) in der Hand, hoch oben auf seiner Couch postiert, forderte der Hausherr die Schweine zum Angriff heraus. Unsere vornehme Zurückhaltung konnte erst durch mehrfache explizite Aufforderung von Bauer und Sennerin, dass dies keine Wartestube sei und der Hausherr endlich auf den Boden zu reißen ist, überwunden werden. Ich habe es trotzdem vorgezogen mich, unter Vortäuschung eines Hustenanfalls, der Gefahr zu entziehen. Der Schaukampf zwischen Ninja und Schweinen war übrigens ungefähr ausgeglichen, mit leichtem Vorteil für den bewaffneten Kämpfer.

Szenenwechsel: ein paar Bauernhöfe oberhalb der Kirche werden als nächstes beglückt. Die Aufnahme war übrigens überall einfach großartig. Beim Patzbauern wurden wir schon vor der Haustür erwartet und gleich in den Stall getrieben. Auf das Einsperren in die eingestreute „Keigstn“ (ich würde es vielleicht mit „Box“ in der Kleinvieh oder Jungtiere gehalten werden übersetzen) hat man nach ersten Überlegungen dann doch kulanterweise verzichtet. Stall genügt. Aber der Boden war gereinigt, Fåcknfutter bereits vorbereitet und im Lichte des Vorhandenseins reichlicher, der schleichenden Dehydration entgegenwirkender Mittel unterschiedlicher Natur, ließen den unorthodoxen Veranstaltungsort als genauso geeignet erscheinen.

Wir hatten nun schon einige Häuser hinter uns. Das war auch dahingehend feststellbar, dass wir bei den Schweinen schon mit etwas Schwund zu kämpfen hatten. Den einen oder anderen hatten wir offenbar in den Häusern verloren. Auch als Zeichen zu werten, dass sich der harte Tag schon eher dem Ende zuneigen musste. Gott sei Dank hatten wir zwei unangemeldete „Überraschungsschweine“ mit dabei, um nicht zu sagen, dass wir mittlerweile zur Wahrung der Handlungsfähigkeit fast von ihnen abhängig waren. Andrea, geübte Volksschullehrerin, und Friedl, der Malermeister, bereicherten unsere Gruppe sehr.  Beim Friedl war bis zuletzt sogar eine kontinuierliche Leistungssteigerung seiner schweinischen Aktivitäten zu verzeichnen, die dann gegen letzt schon beinahe in Hyperaktivität gipfelte.

Kerl junior,  Bauer unserer zweiten Gruppe, kämpfte in der Zwischenzeit mit einem anderen Problem, nämlich drohender Unterernährung.  Aber mit der Tür ins Haus fallen ist nicht seine Art. Das muss durch die Blume gehen – hoffentlich verfolgen die Zuhörer im Haus vom Lenz Lenzei – uriger Modereggalm-Hirter – auch den Text genau. Die reguläre Begrüßungsformel „Griaß enk Gott liawe Leit, vobei is mit da schen Sumazeit“ wird seitens des Bauern aus der Notsituation heraus kurzerhand auf „Griaß enk Gott liawe Leit, waus gibt´s ba ench zan Essen heit?“ umfunktioniert. Nicht umsonst, der fast unscheinbare Wink hat den Empfänger erreicht und eine entsprechende Reaktion mit Wurst-, Speck- und Käsejause hervorgerufen. Situation gerettet! Die Variante dazu, falls ein akutes Durstproblem entstehen sollte, wäre übrigens folgende: „Hiatz sing ma no a zweits Liad, das des eikühlte Bier noand de richtige Temperatur zan Trinken haut.“ Diese Situation ist in der Praxis allerdings noch nie vorgekommen und daher rein theoretischer Natur.

Zwei, drei Häuser noch dann ist Schluss. Der Markus als Bauer hatte sich nun schon textlich ziemlich gefestigt, so ungefähr ab dem 10. Haus sogar schon ohne Schwindelzettel. Dem Textwissen der Sennerin hingegen war eine leicht gegensätzliche Entwicklung anzumerken. Von den Worten „okay okay“ höchst angetan, blieb in den größten Erschöpfungsmomenten auch nur das übrig.

Unter Umständen war das auch ein Mitauslöser für das Angebot, das wir in einem weiteren Haus erhielten: „zan trinken gib i enk nix, außer es meggs a Saftwasser“ (Übersetzung für unsere nicht einheimischen Leser: gegen den Durst kann ich euch leider nichts anbieten, außer ihr würdet mit einem Skiwasser vorlieb nehmen). Trotz aller Verführung, dieses Angebot konnten wir nicht annehmen, den Kindern das Wasser wegsaufen.  

Muss ich nocheinmal nachrechnen – so 11, 12 Häuser haben wir jetzt in 8 Stunden – eh Zeit zum Schicht lassen. Gibt ja welche die den morgigen Arbeitstag nicht liegend verbringen können. Da und dort war den Teilnehmern auch schon mangelnde Konzentration anzumerken – Hiata Hans-Jörg begann nämlich an die jeweiligen Gastgeber anstatt dem Schnurraus (Almabtriebsgebäck) schon Gerste (Ernährung für die Schweine) zu verteilen.

Der Martinipercht-Ausklang erfuhr wieder einen würdigsten Abschluss durch Verköstigung vom Edi (in Raikadiensten) und vom Martin (unserem Museumskustos). Edi war für flüssig, Martin für fest zuständig. Sein selbstgemachter Leberkäse war sensationell gut.

Ja und nachträglich zugetragen – schade, dass ich das nicht mit eigenen Augen verfolgen konnte – wurde mir folgendes Gerücht. Anscheinend – wenn Sie es weitererzählen, bitte dieses Wort „anscheinend“ zu Ihrer eigenen Rechtssicherheit regelmäßig in die Erzählung einstreuen – also anscheinend hat eine der Nachtsennerinnen dann am Nachhauseweg noch den Hüttschlager Vizebürgermeister besucht. Da es schon sehr spät war, war er nur mehr im Schlafgemach, tief in Träume versunken, anzutreffen. Nachdem sich die Nachtsennin zu ihm ins Bett legte, fand sie es doch auch für angebracht, ihn mit „Hallo Schatzi!“ zu begrüßen. Worauf dieser – noch im Unklaren, ob Traum oder Realität – seiner Freude nicht entsprechend Ausdruck verleihen konnte und mit kräftigen „Na! Nit! Nit echt! Na! Na! Hilfe!“ sogar etwas überreagierte. Was wiederum die Nachtsennerin so aufschrecken ließ, dass sie es vorzog, doch wieder das Weite zu suchen.  Jedenfalls: Gott sei Dank lag Vizebürgermeister Rupert schon, so dass er nicht umfallen konnte. Das erzählen Sie bitte, bevor wir keine amtliche Bestätigung dazu haben, noch nicht weiter – hab ich nur gehört (zwar aus zuverlässiger Quelle von einem sehr guten Freund  meines Freundes, der einen Bekannten hat, dessen Bekannte es von der Freundin eines anderen Bekannten gehört hat).

Das war wieder ein Martinitag der mit diesem einzigartigen, zum Tal der Almen perfekt passenden alten Brauchtum, vielen gutgetan hat. So nach dem Motto: Lachen ist Jogging für die Seele. Im Übrigen gilt das im letzten Jahr bereits gesagte. Und: Respekt liebe Hüttschlager!

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