Das Almleben in Bewegung
„Schatz, ich kann nicht zusehen wie du dich so abschuftest ………………………… mach doch bitte die Küchentüre zu“. Samstagmorgen im Hause der Familie G. Doch auch durch die geschlossene Küchentür kann man das Übermaß an Arbeit noch förmlich riechen. Also muss eine noch nachhaltigere Lösung her. Zum Beispiel sich ganz schnell aufs Mountainbike schwingen und diese emotional belastende Situation gleich verarbeiten, solange sie noch frisch ist. Mit zunehmender Entfernung stellt sich üblicherweise auch der entsprechende Erfolg ein. Therapeutisches Fahrtziel: natürlich eine Alm, was sonst im „Tal der Almen“?
Der Almsommer kommt jetzt so richtig in Fahrt. Alles ist „aufkehrscht“. Hat jetzt nicht mit zusammenkehren oder in diese Richtung zu tun. „Aufkehrscht“ ist ein rein almerisch angewendeter Begriff und bedeutet in etwa „auf die Alm übersiedelt“. Egal ob Mensch oder Vieh, alles wird „aufkehrscht“.
Ich bin jetzt angekommen, oben beim Hirter Sepp auf der Bachalm, ein alter Kollege im Hinblick auf den winterlichen Skibetrieb von mir, und seinem Almleutenachwuchs Namens Lisa und Lukas. Die Bachalm liegt in schöner Lage mit Fernblick auf den Ort Großarl unterm Frauenkogel drinnen. Und der Sepp ist auch einer der sehr beschlagen ist, wenn es um Naturzeichen, Mondzeichen, Wetterzeichen usw. geht. Immer interessant ihm zuzuhören. Dieses Zeug ist ja schon über Jahrhunderte überliefert und hat nach wie vor eine Bedeutung die man nicht nur geringschätzen sollte.
Heuer gehen ihm, dem Sepp, die Kühe, anders als in anderen Sommern, von der Hütte relativ weit weg. Sogar bis nachhause auf dem Hof haben sie es am Anfang einmal geschafft. Ist zwar nicht direkt eine Tragödie, aber richtig nett ist das auch nicht. Die Alpleute stehen nämlich um 4 Uhr früh auf und müssen dann die Kühe holen um sie in den Stall zu treiben fürs Melken. Wenn die Kühe nun weiter weg sind wird die Suchauswahl bei unseren ergiebigen Almgebieten natürlich richtig groß. Überhaupt wenn sich Kühe so weit entfernt haben, dass der Glockenklang nicht mehr vernehmbar ist. Und das Tageslicht ist um 4.00 Uhr früh ja bekanntermaßen auch noch höchst bescheiden. Es gibt nun in dieser Sache mit den Kühen den Verdacht, dass hier tatsächlich was mit den Mond- und Sternzeichen schief gegangen sein könnte und überhaupt eine ungünstige Kombination aus mehreren den Bewegungsdrang verschulden.
Um dem zu entgehen, könnte man sich nach den alten Überlieferungen – zumindest fürs nächstes Jahr – folgendes merken:
- Das erste Mal austreiben im Frühjahr idealerweise bei abwachsendem (abnehmenden) Mond. Da haben die Kühe den Kopf am Boden und gehen nicht so weit. Dieser Zustand hält den ganzen Sommer lang an. Wie praktisch.
- Dann aufkehren, also das Vieh auf die Alm treiben, nicht im Sternzeichen Skorpion. Das ist ganz schlecht, fragen sie mich jetzt nicht warum.
- Ja und schließlich wenn geht nicht an einem Knödeltag (Dienstag oder Donnerstag sind im Großarltal „Knödeltage“) auf die Alm fahren. Das ist auch nicht gut, da steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Vieh (wie der Knödel) „aweugn“ könnten. Also abkugeln. Oder in leicht verständlichen schöneren Deutsch erklärt: im den freien Willen ausschließenden und abseits der Kontrolle über den eigenen Körper zuzurechnenden Umstand, rein den physikalischen Grundprinzipien folgend meist über die Längsachse ständig überschlagend den Hang hinunterstürzen.
Unsere Almen haben nicht nur schöne Aussichten, lupenreine Bergluft, seltene Naturerlebnisse, erstklassige Produkte, verlorengeglaubte Lebensweisen, immanenten positiven Gemütseinfluss, sondern auch fantastische Geschichten parat. Also ab in die Berge, die Zeichen stehen gut. Überhaupt wenn sich jetzt „der Hund auch noch auf die richtige Seite legt“. Was das nun wieder zu bedeuten hat, erfahren sie auch oben beim Sepp oder bei den anderen Almleuten in unserem Tal der Almen.