Kleine Daglsteckenprüfung
Liebe Gäste, wenn Sie bei uns im Großarltal Ihren Urlaubsaufenthalt verbringen, werden Sie immer wieder Einheimischen mit Bergstöcken („Daglstecken“) begegnen. Der schwungvoll mitgeführte Bergstock zählt zur uralten Tradition. Aber der richtige und verantwortungsvolle Einsatz dieser fast Waffe ist nicht einmal uns Einheimischen in die Wiege gelegt und muss damit auch erlernt werden. So hatten wir gestern Gelegenheit im Zuge der jährlichen Wanderrunde von ein paar Gleichgescheiten (wer hier so dabei ist entnehmen Sie bitte unserem letztjährigen Beitrag) die Daglsteckenkunde unserem Freund Gottfried näherzubringen. Er ist diesbezüglich sozusagen in seinem zarten Alter von knappe 40 so was wie ein „Spätberufener“. Aber sehr interessiert, schnell von Begriff und in unserem Tagescamp am Berg scheinen die Erfolgsaussichten daher durchaus nicht hoffnungslos.
Beginnen tut das ganze als Tagesmarsch angelegte Ausbildungsprogramm in Hüttschlag. Falls Sie es nicht merken sollten sei sicherheitshalber erwähnt – das was jetzt folgt wäre durchaus als ausgesprochen schöner Wandertipp zu empfehlen, entsprechende Kondition (ca. 7 Stunden Gehzeit) vorausgesetzt. Ziel ist der Hundegg (2.079 m). Man startet also im Ort Hüttschlag und wählt den Weg über das Asthüttgut Richtung Klettersteig in der Hüttschlager Wand. Der Hahn am Misthaufen des Asthüttbauern hat uns schon sehr ehrwürdig empfangen, was für ein schöner Morgen. Dann biegt man bald links ab, nicht übersehen, ist eh schön beschildert und markiert, weil beim irrtümlichen Geradeaus weitergehen die Hüttschlager Wand mit einem Daglstecken zu durchsteigen wäre und wir uns dieser besonderen Herausforderung heute noch nicht gewachsen fühlen. Nach einiger Zeit landet man oberhalb der Hüttschlager Wand mit dem imposanten Blick auf den Ort Hüttschlag und weiter geht’s ständig bergauf durch einen selten urwüchsigen Wald. Hier wimmelt es nur so von Spechten. Als Weg dient eine alte „Ha’risen“- also ein Wegerl auf dem früher im Winter das Heu von den hochliegenden Bergmähdern ins Tal gezogen wurde. Das war ein sehr mutiges Unterfangen, die Ha’risen ist steil und teilweise recht nahe am Abgrund. Eine gute Nachricht jetzt zwischendurch: unser Prüfling ist uns bis jetzt noch nicht über seinen Stecken gefallen. Und er hat weder sich selbst noch einen von uns massakriert. Ausgenommen 1 Ausrutscher, der meine Familienplanung aber glücklicherweise knapp verfehlte.
Dann erreicht man die Bergmähder, inzwischen allerdings schon recht verwachsen, da und dort findet man auch noch verfallene Heustadeln, die in ihrer Hochblüte der witterungsgeschützten Zwischenlagerung des Heu’s bis zum Winter dienten. Je weiter man hochsteigt, desto baumfreier und im Gegenzug aussichtsreicher wird die Umgebung. Nicht weit vom Hundegg entfernt gibt es eine Almfläche die mit Ameisenhaufen übersät ist. So was sieht man in dieser Dichte selten, das muss schon ein besonderer Kraftplatz sein. Und vom Start weg gerechnet nach 3,5 Stunden ist auch der Hundegg erreicht. Weder das beschriebene Wegerl dorthin noch der Berg selbst zieht Massen an. Die Bezeichnung „Geheimtipp“ trifft hier voll zu. Gottfried, unser Prüfling, hat die Sache bisher mit Bravour gemeistert. Wäre vielleicht gar nicht notwendig gewesen ihm zwecks Vermeidung von Verletzungen einen Stock ohne den am unteren Ende eingesetzten Eisendorn (für bessere Bodenhaftung) zu geben. Die Aussicht am Hundegg ist übrigens ein Wahnsinn, das gesamte Großarltal vom Beginn bis zum Ende und teils darüber hinaus sieht man von hier aus. Die Schafherde heroben multipliziert die Schönheit der Kulisse noch einmal.
Und irgendwann nach ausgiebiger Jause und Rast peilen wir eine Almhütte an. Diesmal hat uns die Bichlalm gewonnen, der Weg dorthin ist unbeschreiblich romantisch und schön. Und wie’s auf den Almen so ist, gibt es natürlich viel zu bereden. Die Almleute helfen uns gerne dabei. Dabei erfahren wir, dass es jetzt noch lange schön bleiben wird, weil keine Sterne am Himmel sind und das als „heitigs“ Wetterzeichen (bedeutet so viel wie „hält aus“) gilt. Muss was dran sein, deckt sich nämlich zufällig auch genau mit der Wettervorhersage. Nie ausgespart auf den Almen bleibt das Thema Jagd. Schon seit Jahrzehnten ziemlich unangefochtener Spitzenreiter in der ländlichen Unterhaltung. Und dass unter den Jägern selbstverständlich immer der Grundsatz gilt „Einer für alle und alle für einen“ und das keine Grenzen kennt. Oder dass die Soletti jetzt auf den Almen schon reif sind. Oder wie man am schnellsten „Foasttschöpf“ macht – aber das wär jetzt doch wesentlich zu umfangreich das zu erklären. Und schließlich konnten wir Sennerin Sigrid noch in die Technik des „Juschroas“ (Alm-Juchizer) einweisen. Das muss jede Sennerin einfach können.
Eigentlich war das Zuwarten fast zu lang bis es finster wurde. Aber es war einfach notwendig, weil die Daglsteckenprüfung mit einem schwierigen Nachtbewerb abschließt. Nämlich den Weg ins Tal über die putzfinstere Himmelsleiter (Wanderweg). Die meisten unserer Gäste werden die Himmelsleiter kennen, sie ist untertags schon ein besonderer Reiz mit ihren ganzen Wurzeln, Steinen, Bäumen und Abstufungen. Hier auf der Himmelsleiter ist der Bergstock besonders wichtig, einmal fürs Abstützen des Körpers und zum andern für das Abtasten des Bodens. Auch das ist ziemlich gut gelungen, keiner abgewalgt (keinen hat’s überschlagen). Nur ein paar kleine nicht nennenswerte Rückwärtsstürze waren dabei und Gottfried der Prüfling umarmte zweimal einen Baum. Aber das hab ich sonst auch schon einmal gesehen. Es wird modern Bäume zu umarmen und mit ihnen zu sprechen. Abgesehen davon ging alles gut, alle Hürden der kleinen Daglsteckenprüfung mit Bravour geschafft. Die große Prüfung kann nur in kurzer Lederhose abgelegt werden. Unser Freund will sich für das Tagescamp 2012 eine Lederne zulegen. Wie das dann wieder ausgeht, erfahren natürlich die Leser des Großarltal-Blog als erstes hier!
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