Der Blick zurück
Nicht zu viel zurückschauen, sondern immer schön nach vor, heißt es. Die unangenehmen Dinge muss man hinten lassen können. Bei Wanderungen im Großarltal hingegen ist auch der Blick zurück äußerst spannend. Man muss halt ganz zurückschauen ein paar Jahrhunderte in unsere Vergangenheit. In die Zeit als es noch keinen Tourismus gab, sondern den intensiven Bergbau.
Ich habe mich kürzlich auf eine Wanderung in unsere Vergangenheit gemacht. Schwager Urban ist ein verlässlicher Begleiter, kennt unser Tal bis zum letzten Berg wie seine eigene Westentasche. Nicht nur besonders eindrucksvoll sondern auch sehr vergangenheitsträchtig ist das Kreealmtal in Hüttschlag. Der geübte Blogleser identifiziert die Kreealm gleich als Herrfred’s zuhause. Herrfred ist jetzt ein ausgewachsenes Mankerl, hat heuer schon den 3. Almsommer auf der Bichlhütte und ist putzmunter. Wir gehen aber ausnahmsweise bei den 2 Almhütten vorbei, die stehen auf unserem Tagesprogramm erst ganz hinten. Dafür folgen wir dem markierten Steig Richtung Murtörl. Dann einige Zeit später biegen wir allerdings ab Richtung Schöderhorn (wir verlassen hier die Markierung, sollten Sie in unserem Tal nicht intensiv ortskundig sein, gehen Sie das bitte nicht ohne einheimischen Führer) und treffen auf das „Schöderwachthäusl“. Am Grad zwischen Schödertal und Kreealmtal. Anscheinend schon um ca. 1.400 erbaut sind beim Schöderwachthäusl auch heute die Steinmauern noch kerzengerade. Nur das Dach fehlt. Hier in dieser Gegend auf über 2.000 m Seehöhe hat man Erze (Kupfer und Schwefel) abgebaut. Das Schöderwachthäusl soll anscheinend aber auch einmal dazu gedient haben, die Übergänge in den Lungau und nach Kärnten zu überwachen. An dieser exponierten Stelle entgeht nichts, gar nichts. In unmittelbarer Umgebung sind auch noch Eingänge zu den Abbaustollen zu finden. Das Reingehen bzw. Hinabsteigen erspar ich mir mal – bin nicht so neugierig (feige wäre der falsche Ausdruck). Zumal es in der Kreealm auch einen Stollen gibt, in dem anno dazumal 17 Bergleute verschüttet wurden und nicht gerettet werden konnten. Der Berg hat sie behalten. Die Stelle trägt seit dem den Namen „d’ewig Ruah“. Die Gebiete im Kreealmtal allein sind in ungefähr 240 verschiedene Orientierungsnamen untergliedert. Alois Prommegger mit seiner Schwester Burgi, auch hier beim Schöderwachthäusl unterwegs, ist nicht nur ein spitzen Naturfotograf – sein „Daglstecken“ war im Gegensatz zu unserem sogar mit einer Kamera bestückt – sondern hat auch enormes Vergangenheitswissen über unsere Heimat. Das kam uns an dieser geschichtsträchtigen Stelle jetzt sehr zugute.
Dann geht es aber doch weiter entlang faszinierender Bergseen, den Almsommer genießenden Rindern und Pferden, sogar ein Esel war dabei, und noch einzelnen Schneeresten des letzten Winters. Einer davon ist sogar ein kleiner Gletscher – juhu wir haben einen weiteren Gletscher (neben dem Keeskogel – 2.884 m), wenn auch nicht größer als ein paar Kuchigartl. Und dann ist das Schöderhorn mit 2.475 m erreicht. Hier gibt es gewaltige Ausblicke in die Kernzone des Nationalparks Hohe Tauern. Ein Berg nach dem anderen ist hier wie aufgefahndelt. Einen Teil davon ist ja erst kürzlich unser Tourismusdirektor Thomas Wirnsperger erwandert (für diesen Beitrag hier klicken). Nun sind wir wieder einmal ober den Gämsen, unter uns marschieren nämlich gerade 6 durch, äußerst schöner Anblick (die Jäger mögen mir das jagdliche Unwort „schön“ bitte nachsehen, denn da wird für Leser und nicht für Jäger geschrieben).
Dann reizt auf dem Weg zum Murtörl (2.260 m) noch das dazwischenliegende Mureck (2.402 m), ein Berg quasi zum Mitnehmen. Der verfügt kurz vor dem Gipfel über einen mächtigen Stein der frei in den Abgrund hinausragt – schönes Fotomotiv. Ein Vorläufer der heutigen aus den Boden schießenden Aussichtsplattformen. Auch eine „Klumpsn“, das ist ein Erdloch, ist hier ganz in der Nähe. Diese Erdlöcher sind ganz selten. Auf einer anderen Alm im Großarltal gibt es eine besonders tiefe Klumpsn. Man hat einmal einen Stein hineingeschmissen und als er ankam hört man einen Glockenschlag, weil er offensichtlich auf eine Kuhglocke fiel, die hier samt daran befindlicher Kuh einmal verschwunden ist. Ist nur eine Geschichte mit einer Fifty-Fifty-Wahrscheinlichkeit wahr zu sein.
Dann ist das Mureck erreicht, Geschichte dazu erspar ich Ihnen. Hängt irgendwie mit einer südsteirischen Stadt zusammen, ist zu weit weg um in einen Großarltal-Blog Eingang zu finden. Und so 20 Minuten später erreicht man das Murtörl (auch dazu gab’s schon einmal ein Posting – hier klicken). Genau hier in diesem Bereich entspringt die Mur, die dann 453 km durch Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn fließt. Das ist schon was ganz besonderes.
Ja, und so nach 6 Stunden Geh- und Pausenzeit gibt es nur mehr den konzentrierten Blick nach vorne, und zwar zu den zwei Almhütten im Kreealmtal (Kreehütte und Bichlhütte). Wobei uns vorher ein hoch in den Lüften befindlicher Flieger noch einmal veranschaulicht wie wildreich die Kreealm ist. Der lange Fluchtreflex von 20 Gämsen und mindestens 10 Hirschen verhilft uns zu einem ausgezeichneten Anblick.
Springende Hirschen hin oder her – nun endgültig ab zu den Hütten! So ein netter Hüttenabend hat auch immer das Zeug durchaus geschichtsträchtig zu werden.
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