Wie die „Vitamine“ in die Flasche kommen – II
Aufmerksame Blog-Leser haben mich schon gefragt, wann denn endlich der 2. Teil zu meinem Bericht über die Schnapsherstellung kommt. Jetzt ist es soweit. Für alle, die Teil 1 verpasst haben, hier nochmals der Link dazu. Bevor ich aber mit dem Schreiben richtig los lege, schenk ich mir noch ein Stamperl ein, das beflügelt die Gedanken. – So, jetzt kann´s loseghen:
Das Schnapsbrennen ist für unsere Bauern eine typische Winterarbeit. Ich war letzten Samstag beim „Untergolleggbauer“ Taxer Josef zu Besuch, bei dem Altbauer Hans für´s Schnapsbrennen zuständig ist. Je nach Ergiebigkeit der Ernte verbringt er bis zu 7 Wochen in seiner „Schnapsbrennstube“ im Keller. Dieses Jahr war ein mageres Obstjahr, dementsprechend gibt es auch weniger zu brennen und wird er wohl nicht so viel Zeit im Keller verbringen. Am Untergolleghof brennt man in erster Linie Vogelbeeren, Äpfel und Birnen – alles sortenrein – versteht sich.
Die Maische ist nun fertig vergoren, der Fruchtzucker wurde durch den natürlichen Gärprozess in Alkohol umgewandelt. Um zu prüfen, ob die Gärung tatsächlich schon abgeschlossen ist, gibt es ein eigenes Messgerät. Unsere Bauern verlassen sich allerdings großteils lieber auf eine altbewährte Probe, bei der man ein brennendes Streichholz einige Zentimeter knapp über die vergorene Maische hält. Erlischt es, steigen noch Gärgasse auf und bringen so das Streichholz mangels Sauerstoff zum Erlöschen. Die Gärgung ist in diesem Fall noch nicht abgeschlossen. Brennt es jedoch ruhig vor sich hin, ist die Maische fertig zum Brennen. Das Gärgas ist nämlich schwerer als Sauerstoff und setzt sich immer am tiefsten Punkt über der Maische ab. Deshalb gehen übrigens auch viele Weinbauern mit einer Kerze, die sie möglichst tief halten, hinunter in die alten Weinkeller. Erlischt die Kerze, besteht akute Erstickungsgefahr. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Kurzer Schluck, aahh – weiter:
Erst einige Infos zum Brennofen/Brennkessel (die ganze Anlage nennen wir einfach „Brennzeug“): Dieser birgt ein kleines Geheimnis in sich: Er besteht nämlich aus 2 Wänden. Die Außenwand sieht man und ist Teil des Brennofens. Die Innenwand nennt man Brennblase. Hier hinein kommt die vergorene Maische, beim Hans fasst sie ca. 100 l. Der Zwischenraum zwischen Brennblase und Außenwand des Brennkessels wird mit Wasser aufgefüllt, man spricht vom Wasserbad. Das ist wichtig, damit die Maische nicht so leicht anbrennt. Moderne Brenngeräte haben in der Brennblase auch noch ein Rührwerk, das zusätzlich verhindern hilft, dass die Maische anbrennt. Danach wird der kupferne „Helm“ oder wie wie sagen „Brennhuat“ aufgesetzt, dicht verschlossen und mit dem Übersteigrohr verbunden. Danach wird mit Gefühl eingeheizt – nicht zu viel und nicht zu wenig. Hier sind Geschick und Erfahrung des Brenners gefragt. Geräte neueren Baujahres heizt man zumeist elektrisch. Dies hat den Vorteil, dass man die Temperatur besser regulieren kann. Hans mag das nicht, er heizt lieber mit Holz. Da hat er ein besseres Gefühl, außerdem ist es so schön warm in seiner Schnapsbrennstube. Schließlich gibt es zwischen den einzelnen Arbeitsschritten auch die eine oder andere Verschnaufpause, in der man sich gemütlich zurücklehnen kann …
Alkohol hat einen niedrigeren Siedepunkt als Wasser und so wandelt sich durch die Hitze in der Brennblase erst der Alkohol zu Dampf, steigt auf und strömt weiter in das Übergangsrohr. Von dort gelangt er dann entweder in eine Kupferspirale oder einen Tellerkühler, der in einen mit kaltem Wasser gefüllten Behälter eingebaut ist. Dadurch kühlt der Dampf ab und kondensiert wieder zu Flüssigkeit. Man nennt diesen Vorgang destillieren. Was nun vorne rauskommt, sieht aus wie Schnaps, ist aber keiner, sondern ein sogenannter „Rauhbrand“. Bei uns im Tal nennt man ihn aber ganz emotionslos einfach nur „Britschn“ (nachzulesen übrigens auch im Buch „Mundart aus´n Großarltal, damit dass nit vagessn wiascht“ von Burgl Knapp, Senior-Wirtin vom Hotel Alte Post in Großarl). Diese Britschn kommt – je nach Frucht – anfangs mit ca. 35 Vol.-% Alkohol an, je länger der Brennvorgang dauert, um so geringer wird der Alkoholgehalt in der Flüssigkeit. Man brennt runter bis auf ca. 5 Vol.-%. Das wird nun erst einmal mit allen Früchten so gemacht. Die Rückstände der Maische kommt auf den Kompost.
Im nächsten Schritt beginnt das Ganze wieder von vorne, allerdings kommt jetzt in den Brennkessel keine Maische mehr, sondern der vorhin beschriebene Rauhbrand – die „Britschn“, die nun nochmals „gebrannt“ – also destilliert wird. Deshalb spricht man auch ab und zu vom „Doppelt Gebrannten“ bzw. vom „Feinbrand“. Was nun nach dem Destillieren rauskommt, ist schon fast fertiger Schnaps, aber halt nur fast: Der erste Teil ist mit rund 75 Vollumsprozent Alkohol sehr stark, man spricht vom Vorlauf (bei 100 l Apfel-Pritschn ca. 1 l, bei Vogelbeeren ca. 0,4 l). Dieser wird nicht zum Trinken verwendet, er schmeckt „spritig“ und dient in erster Linie zum Ansetzen von Medizin für Mensch und Tier – etwa zur Wundversorgung und zum Einreiben. Danach kommt der hochwertige Mittelteil – das Kernstück, das man bis zu ca. 35 % herunterbrennt. Der Nachlauf, der danach noch kommen würde, ist wiederum minderwertig und wird für den Schnaps nicht verwendet. Der so gewonnenen Schnaps – also das Kernstück – hat dann im Durchschnitt ca. 50 Vol.-% Alkohol und wird schließlich – je nach Belieben des Schnapsbauern – mit destilliertem Wasser (der Hans verwendet dazu lieber frisches Quellwasser) auf ca. 40 Vol.-% eingestellt. Wichtig dabei ist, dass der Schnaps und das Wasser beim Mischen exakt die selbe Temperatur haben. 1 – 2 Grand Unterschied reichen schon aus, und der Schnaps wird trüb.
Hier noch einige Infos zur Ergiebigkeit: Aus 200 l Maische gewinnt man ca. folgende Mengen an Schnaps:
Apfel/Birne: 200 l Maische = ca. 4 Liter reiner Alkohol, entspricht 10 Liter Schnaps mit 40 Vol.%
Vogelbeere: 200 l Maische = ca. 2 Liter reiner Alkohol, entspricht ca. 5 Liter Schnaps mit 40 Vol.%
Natürlich gibt´s noch viele Feinheiten und Tricks zu beachten, aber das sind die Geheimnisse und Erfahrungen unserer Schnapsbauern im Tal der Almen. Nun soll der Schnaps einmal langern. – Je länger, um so besser, wenn möglich mindestens 2 Jahre. Übrigens: Schnapsflaschen nicht liegend lagern – wie etwa bei Wein – sondern stehend. Und sollten Sie einmal ein besonders gutes Flascherl bekommen, verstecken Sie es gut. Ein Vogelbeer, den man erst nach 10 Jahren wieder findet, ist nicht zu toppen. Na dann prost!
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